Tutorial: Natürliche Beschleunigungen by Codo

Dies ist eine Fortsetzung zum Tutorial „Natürlich wirkende Animationen bei menschlichen Charakteren”.

Beschleunigungen

Einer der Hauptgründe, warum Animationen häufig seltsam aussehen, ist ein falsches Beschleunigungsverhalten und falsche Reaktionen des Körpers auf äußere Beschleunigungen.

Dies liegt meistens daran, wie Animationen häufig erstellt werden: Man bestimmt Anfang und Endpunkt einer Bewegung, und das Programm berechnet die Bewegung zwischen diesen beiden Punkten. Das führt oft dazu, dass die Bewegung auf die Frames oder Keys (Ankerpunkte der Animation) in gleichmäßigen Zeitabständen aufgeteilt wird.

Beispiel: Ein Körper soll sich auf gerader Strecke bewegen. Überlässt man die Animation der Bewegung nun dem Programm, bekommt man unter Umständen eine solche Aufteilung. Der Pfeil zeigt in eine Raumrichtung, beispielsweise die x-Achse, die Zahlen stehen für die Nummer des Frames.

Das sieht zwar schön gleichmäßig aus, aber warum das häufig schlecht ist, und wie man es besser machen sollte, wollen wir heute klären. Dafür müssen wir ein bisschen Theorie machen, aber das ist schnell geschafft.

Beschleunigung — die Theorie

Zunächst müssen wir erst Mal den Begriff klären: Was ist eine Beschleunigung? Es ist die Veränderung einer Bewegung. Aber wann verändert sich eine Bewegung? Das lässt sich in zwei Punkte unterteilen:

Die Geschwindigkeit ändert sich
Fährt man auf die Autobahn, erhöht man die Geschwindigkeit. Dementsprechend fühlt man auch, wie man in den Sitz gepresst wird. Fährt das Auto aber erst einmal mit konstanter Geschwindigkeit, fühlt man auch keinen Druck mehr, auch wenn man mit 300 km/h über eine deutsche Autobahn donnert.

Als Änderung der Geschwindigkeit gilt natürlich genauso auch eine Verlangsamung. Im allgemeinen Sprachgebrauch nennt man es nur nicht Beschleunigung, aber physikalisch ist Bremsen auch eine Beschleunigung.

Die Richtung ändert sich
Auch das ist eine Beschleunigung. Man merkt es im Auto, wenn man in eine Kurve fährt, wie man zur Seite gedrückt wird. Auch ein sich mit gleicher Geschwindigkeit im Kreis bewegender Körper wird also ständig beschleunigt.

Merke: Sich auf einer geraden Bahn mit konstanter Geschwindigkeit bewegende Körper werden nicht beschleunigt.

Trägheit

Wir wissen, was Beschleunigungen sind, und daraus leitet sich praktisch unmittelbar ab, was Trägheit ist. Alles was eine Masse hat, wehrt sich sozusagen gegen jegliche Beschleunigung. Ein ruhender Gegenstand will einfach da bleiben, wo er ist.

Merke: Je schwerer ein Körper ist, umso mehr Kraft muss auf ihn ausgeübt werden, damit er sich in Bewegung setzt.

Aber genauso wird er etwas dagegen haben, wenn man ihn wieder stoppen will, oder seine Bewegungsbahn von seiner geraden Linie lenken will.

Merke: Ein sich bewegender Körper will in seiner (geradlinigen) Bewegung bleiben. Es wird Kraft benötigt, um ihn abzubremsen oder seine Richtung zu ändern.

Beschleunigungen in Animationen

So, die Theorie haben wir! Jetzt schauen wir mal, was wir mit dem Wissen anfangen können.
Ein menschlicher Körper ist als ganzes eine träge Masse. Man muss also Kräfte ausüben, um ihn in Bewegung zu setzen oder diese Bewegung zu verändern. Aber auch einzelne Körperteile, z.B. ein Arm oder ein Bein, sind träge Körper.

Und wie setzt man nun überhaupt Beschleunigung und Trägheit in der Praxis um? Im Grunde ist es einfach. Man sollte einfach Bewegungen vermeiden, die von 0 auf 100 (oder umgekehrt) in 0 Sekunden beschleunigen. Das ist in dem oben gezeigten Diagramm der Fall, wenn man davon ausgeht, dass das Würfelchen am Anfang und Ende liegen soll.

Merke: Eine beschleunigte Bewegung fängt langsam an und wird dann immer schneller.

Im Diagramm sieht das dann so aus.

In den ersten Frames wird noch nicht viel Weg zurück gelegt, aber die Abstände werden in den späteren Frames immer größer. Wer es genau wissen will: Der zurückgelegte Weg wird mit dem Quadrat der Zeit größer (multipliziert mit einem Faktor, der die Größe der Beschleunigung festlegt).

Beispiel:

  • 1 Sekunde, 1 Meter
  • 2 Sekunden, 4 Meter
  • 3 Sekunden, 9 Meter
  • 4 Sekunden, 16 Meter
  • 5 Sekunden, 25 Meter

Der ganze Prozess rückwärts ist dann übrigens schon das Bremsen!

Doch halt, würde das nicht bedeuten, dass der Körper sich irgendwann unendlich schnell bewegt? Ja. Aber in der Realität sorgen Reibungskräfte dafür, dass irgendwann eine konstante Geschwindigkeit erreicht wird.

Noch einmal zum Vergleich: So sieht eine unbeschleunigte Bewegung aus.

Der pro Frame zurückgelegte Weg ist immer gleich groß.

Natürlich beschleunigen nicht alle Körper gleich schnell. Je mehr Kraft aufgewendet wird, und / oder je leichter sie sind, desto schneller beschleunigen sie. Man muss hier nicht herum rechnen, aber man sollte ein intuitives Gefühl entwickeln, wie beschleunigte Bewegungen aussehen.

Merke: Alle Bewegungen haben eine Beschleunigungs- und eine Bremsphase. Wirklich alle!

Manchmal ist sie nur sehr kurz. Aber sie ist immer da. Das gilt auch nicht nur für den Körperschwerpunkt sondern auch für die einzelnen Körperteile! Je größer und schwerer der Körperteil, desto deutlicher sollte die Trägheit dargestellt werden.

Wie sich ein menschlicher Körper selbst in Bewegung setzt

Jetzt wollen wir mal schauen, inwiefern uns die Theorie hilft, Animationen von menschlichen Charakteren zu verbessern.

Möglichkeit 1) Muskelarbeit
Natürlich sind Muskeln die Grundlage sämtlicher Bewegungen, aber hier meine ich Bewegungen die ausschließlich auf Kontraktion der Muskeln basieren. Ein Beispiel ist Abspringen aus der Hocke.

Möglichkeit 2) Schwerkraft
Man kann sich insbesondere beim Anlaufen auch die Schwerkraft zu Nutze machen. Besonders extrem wird dies beim Start von Sprintern deutlich. Auf Wikipedia habe ich folgende Briefmarke gefunden:

Niemand würde in einer solchen Position stehen können (siehe erstes Tutorial). Wozu dann diese extrem vorgebeugte Haltung? Das Vorbeugen in der Beschleunigungsphase verhindert das Umfallen nach hinten! Man stelle sich jemanden vor, der kerzengerade steht. Würden dessen Beine jetzt plötzlich losrennen, würde der Oberkörper aufgrund seiner Trägheit verharren, und die Beine würden unter ihm nach vorn weglaufen. Der Sprinter muss sich also genau so stark vorbeugen, dass die Schwerkraft den eben beschriebenen Effekt kompensiert. Je näher er seiner Endgeschwindigkeit kommt (desto kleiner die Beschleunigung wird), desto aufrechter wird sein Sprint. Das ist also keine Option, sondern eine Notwendigkeit.

Möglichkeit 3) Ausholen

Als Ausholen bezeichne ich Bewegungen, die erst einmal in die scheinbar falsche Richtung gehen, um die eigentliche Bewegung einzuleiten. Das kann mehrere Zwecke erfüllen.

  • Man verlängert den Weg, der für eine Beschleunigung zur Verfügung steht. So kann eine höhere Geschwindigkeit erreicht werden. Ein Ball fliegt weiter, wenn man ihn mit einer weiten Ausholbewegung wirft, da er auf dem längeren Armweg stärker beschleunigt werden kann.
  • Man setzt Muskeln in einem für sie effektiveren Bereich ein oder macht die Bewegung dadurch erst möglich. Aus einer nur leichten Kniebeuge springt man schlechter ab als aus einer tiefen. Siehe auch Punkt 1.
  • Man kann durch Ausholbewegungen die Schwerkraft ausnutzen. Man stelle sich eine sehr schwere Kugel vor, die an einem langen Seil befestigt ist. Will man sie zum Schwingen bringen, gibt es eine schlaue, und eine weniger schlaue Möglichkeit:
    • Man schiebt die Kugel aus der Ruheposition an.
    • Man zieht die Kugel etwas zurück und stößt sie dann nach vorne.

    Garantiert kommt man mit B) weiter, da hier auf dem Abwärtsweg Beschleunigung durch die Schwerkraft „geschenkt” wird.

Hier ein Beispiel für eine typische Ausholbewegung. Lara nimmt ihre Arme vor dem Absprung nach hinten, um sie dann in einer sehr schnellen Bewegung nach oben zu werfen. Die Arme erzeugen eine Beschleunigung in die Sprungrichtung, so dass die Bewegung unterstützt wird.

Abbremsen

Auf Grund der Komplexität des menschlichen Körpers ist Abbremsen nicht das gleiche wie in Bewegung setzen. Natürlich sind immer noch die gleichen Regeln am Werk, aber man kann auch hier ein paar vereinfachte, typische Abläufe feststellen.

Möglichkeit 1) Muskelspannung
Unsere Muskeln können nicht nur eine Bewegung auslösen, sondern auch eine Bewegung stoppen. Wenn man dies allerdings zu abrupt animiert, sieht es unglaubwürdig aus.

Ein schönes Beispiel ist die Vorwärtsrolle aus dem Sprinten in die Hockposition.

Lara kommt bereits in Phase 2 in der Endposition an, aber ihr Körper will sich auf Grund der Trägheit noch weiter bewegen. In Phase 3 sieht man den Oberkörper daher ein wenig nach vorne kippen, was sie dann durch Anspannung der Muskulatur kompensiert. Diese subtile Kippbewegung macht die ganze Animation glaubwürdiger als wenn sie nach einer derartig schnellen vorangehenden Bewegung plötzlich in der Hockposition „versteinert.”

Möglichkeit 2) Schwerkraft

Man kann auch die Schwerkraft ausnutzen, um eine Bremsbewegung zu unterstützen. Hier ebenfalls ein Beispiel für Abbremsen nach dem Sprinten. Lara lehnt sich leicht zurück. Würde sie nicht schnell unterwegs sein, wäre diese Haltung sehr instabil.

Quiiiieeetsch.

Indem die Kraft, die Lara sonst nach hinten umfallen lassen würde, mit der Vorwärtsbewegung überlagert wird, wird ein Teil dieser kompensiert, so dass das Abbremsen leichter fällt. Mit dem Fuß über den Boden zu schaben erzeugt auch eine Menge Reibung, so dass noch mehr Bewegungsenergie abgebaut wird.

Möglichkeit 3) Ausholen
Das geht auch beim Bremsen! Schaut mal hier die Arme von Lara an, wenn sie nach einer Rutschpartie rückwärts auf festen Boden ankommt.

Nichts geht mehr?

Hier noch ein paar Tipps, wie man vorgehen kann, wenn Animationen seltsam aussehen, aber man nicht so recht weiter kommt. Manchmal sieht man eben den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, wenn man zu lange an etwas herum gewerkelt hat.

Lass die Animation rückwärts laufen.
Genauso wie es bei einer Zeichnung helfen kann, sie auf den Kopf zu drehen oder mit Hilfe von durchscheinenden Licht von Hinten anzuschauen, kann eine Veränderung der Perspektive helfen, die Animation objektiver zu beurteilen.

Lass die Animation langsam oder schnell laufen.
Auch eine Veränderung der zeitlichen Perspektive kann hilfreich sein. Vor allem die langsam laufende Animation zeigt häufig Fehler im Beschleunigungsverhalten.

Einzelne Punkte anschauen
Je nachdem, mit welchen Programm man arbeitet, hat man die Option, sich sogenannte Bewegungsbahnen der einzelnen Meshes anzuschauen. Hier sieht man sehr schön, wenn es irgendwelche Phasen in der Bewegung gibt, die „ausreißen.” Das müssen keine Fehler sein, aber es lohnt sich, solche Stellen zu überprüfen.

Allgemein kann man sagen, dass Bewegungsbahnen eher Kreisen, Ellipsen und Schlaufen beschreiben sollten. Auch enge Schlaufen, die zu Umkehrpunkten verengt sind, sind in der Regel in Ordnung. Vermeiden sollte man Quadrate oder andere Vielecke. Auch wenn die Bewegungsbahn aussieht wie die Krabbelspur einer betrunkenen Ameise sollte man noch mal genauer hinschauen.

Was anderes machen
Ernsthaft. Nach einer Nacht oder einen Spaziergang später ist man ein besserer, eigener Kritiker als nach fünf Stunden Arbeitsmarathon.

Wenn du diesen Text oder Teile davon anderswo veröffentlichen möchtest, frage bitte uns oder Codo vorher um Erlaubnis. Vielen Dank!

Dieser Content wurde im Rahmen des TRForge Adventskalenders 2012 erstellt.
Falls vom Autoren selbst nicht anders angegeben, respektiere bitte die allgemeinen Benutzungsrichtlinien zur Nutzung von TRForge-Inhalten.

Tutorial: Natürliche Animationen by Codo

Natürlich wirkende Animationen bei menschlichen Charakteren

Neue Animationen sind mehr als nur eine optische Spielerei. Sie können auch das Gameplay eines Levels aufwerten. Selbst bei Gegnern mit neuen Meshes und Texturen verraten die klassischen Animationen schnell, um welchen es sich eigentlich handelt. Und wenn Lara auf einmal an neue Orte klettern oder springen kann, ist das doch auch sehr nett. Außerdem werden für Cutscenes häufig neue Animationssequenzen benötigt.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Animationen für den Gebrauch im Tomb Raider Leveleditor zu erstellen oder zu verändern. Dieses Tutorial behandelt NICHT diese technischen Aspekte. Wer sich dafür interessiert, sollte hier nachschauen:

Creating Custom Animations

Hier geht es also nur ganz allgemein um Positionen und Animationen von menschlichen Charakteren. Es ist daher komplett unabhängig davon, mit welchen Tools gearbeitet wird. Ich werde zwar immer Lara als Beispiel benutzen, es gilt aber genauso für jede andere menschliche oder menschenähnliche Figur. Möglicherweise hilft das Tutorial dem einen oder anderen auch in anderen Bereichen, zum Beispiel beim Zeichnen. Jetzt aber los!

Warum wirken so viele Animationen „steif” oder „seltsam”?

Es fällt jedem auf, wenn eine Animation nicht richtig ist. Aber nicht jeder kann erkennen, was der Grund dafür ist. Ist es der Oberkörper? Die Beine? Alles zusammen? Wer selbst animieren möchte, sollte seine Wahrnehmung für solche Nuancen schärfen.

Die ernüchternde Nachricht zuerst: Position und Bewegung von Körpern ist hoch komplex und unterliegt unzähligen physikalischen Gesetzen.
Die erleichternde Nachricht: Es muss gar nicht perfekt sein.

Tatsächlich empfinden wir von Motion Capturing erfasste Bewegungen sogar häufig als unnatürlich. Offenbar gibt es dabei auch eine Art Uncanny Valley.
Wir befinden uns immer noch in einem Computerspiel, da ist Vereinfachung und übertreibung erlaubt und erwünscht. Es reicht daher, die wichtigsten Dinge im Gedächtnis zu behalten und zu lernen, auf seine Intuition zu hören. Unbewusst haben wir nämlich großes Wissen darüber abgespeichert, wie Bewegungen aussehen müssen. Und nun die erste große Erkenntnis, die ganz allgemein gilt.

Merke: Betrachte das Po-Mesh als Ausgangspunkt aller Bewegungen. Fange hier die Animation an!

Das ist natürlich mit mehr Arbeit verbunden, als den Po ruhig zu halten und nur die Gliedmaßen zu bewegen. Kippt man den Po beispielsweise, dreht sich der komplette Körper mit, so dass man Oberkörper und Beine wieder in die Vertikale zurückdrehen muss. Aber die Arbeit ist es wert. Die folgenden Beispiele zeigen, dass man selten darauf verzichten kann, das Po-Mesh zu animieren.

Korrekte Körperhaltung und langsame Bewegungen

In diesem Kapitel geht es um Körper in Ruhe und in Bewegungen, die in jeder Phase gestoppt werden können, ohne dass die in der Bewegung eingefrorene Figur umfallen würde. Dies ist beispielsweise beim Gehen der Fall, beim Laufen aber nicht mehr.

Und so findet man raus, ob eine Ruheposition stabil ist:
Das Po-Mesh ist nicht nur deswegen wichtig, weil es der „Anker” der restlichen Körperteile ist. Der Körperschwerpunkt befindet sich bei jedem Menschen mehr oder weniger innerhalb des Bauches etwas oberhalb der Hüften, zumindest wenn er aufrecht und frei im Raum steht. Will man überprüfen, ob die Füße so stehen, dass die Figur nicht umkippt, ist die Vorstellung hilfreich, dass zwischen ihren Beinen ein Gewicht an einem Band baumelt. Okay, das sieht sehr, sehr seltsam aus.

Schwerpunkt

Nun stellt man sich außerdem vor, um die Außenseite der Füße wäre ein Gummiband gespannt. Befindet sich das Gewicht nun auf der Fläche, die vom Gummiband aufgespannt ist, steht die Figur sicher. Das gilt allerdings nur, wenn der Oberkörper aufgerichtet ist!

Merke: überlege dir, wo der Schwerpunkt des Körpers liegt, und passe die Pose entsprechend an.

Nun ein kleines Beispiel. Lara soll lässig mit eingeknickter Hüfte herumstehen. Da drehe ich erst einmal das gesamte Objekt um das Basismesh, den Popo. Dann müssen Beine und Oberkörper wieder in Richtung der Horizontalen gedreht werden.

Hüfte gedreht (1) Hüfte gedreht (2)

Im Bild rechts habe ich das linke Bein weiter unter den Körper geschoben. Warum das? Menschen stehen so, weil damit ein Bein entlastet wird, in diesem Fall das rechte. Das linke trägt also mehr vom Körpergewicht, daher ist es dichter am Körperschwerpunkt (denkt an das baumelnde Gewicht!) Diese Pose ist dennoch reichlich seltsam. So sieht es nach ein paar kleinen Korrekturen aus:

Hüfte gedreht (3)

Schon viel besser, oder nicht? Was habe ich da gemacht? Zunächst habe ich den rechten Arm hängen lassen. Es würde sonst Kraft kosten, ihn in der vorherigen Position zu halten. Ein etwas subtilerer, aber sehr wichtiger Schritt ist es auch, die Schultern der Hüfte anzupassen. Genau hinsehen: Die linke Schulter hängt jetzt tiefer als die rechte. So wirkt die Pose entspannter und stabiler.

So sollte man es nicht machen:

Tomb Raider Legend

Aaaaah.

Merke: Die Position der Hüfte und Schultern ist sowohl in statistischen Positionen als auch in Bewegungen fast immer entgegen gesetzt.

Zurück zu unserem Beispiel. Auch wenn jetzt von der Statik her die Pose in Ordnung ist, wirkt sie noch etwas verkrampft. Wer will, kann sich ja mal probeweise so hinstellen. Man fühlt sich wie ein Gorilla, nicht wahr? Wohin nur mit den verdammten Händen? Nun ist nicht gerade „zufällig” ein Bier oder eine Zigarette zur Hand, an der Lara sich lässig „festhalten” kann. Also was nun? Schauen wir uns an, was Profis machen, die oft mit leeren Händen in der öffentlichkeit herumstehen müssen.

Merkel

Nee, dann nehmen wir doch lieber eine Pose aus dem Modekatalog.

Modelpose

Merke: Hat deine Figur gerade nichts zu tun, lasse sie möglichst nicht wie einen Gorilla mit betäubten Armen herumstehen.

Endlich wissen wir, warum man Lara auf Wallpapern selten ohne ihre Waffen sieht. 😉

Gehen-Animation

Ich widme dem Gehen hier ein eigenes kleines Unterkapitel, da es wohl die Bewegung ist, die am häufigsten für Cutscenes erstellt wird. Gehen ist eine recht komplexe Abfolge von Bewegungen, aber mit dem bisher Gelernten sollte es schon möglich sein, eine halbwegs anständige Animation zu erstellen.

Hier sind ein paar Punkte, die man sich klar machen sollte.

  • Ein Fuß bleibt immer im Kontakt mit dem Boden.
  • Die Füße bleiben normalerweise in jeder Phase der Bewegung parallel und etwa hüftbreit auseinander. Es gibt aber auch andere Gangarten. Strebt man einen natürlichen Eindruck an, sollte man sich keine weiblichen Laufstegmodels als Referenz nehmen. Diese laufen meist mit beiden Füßen auf einer gerade Linie, oder überkreuzen diese Linie sogar. Männer neigen dazu, die Füße nach außen zu drehen.
  • Die Hüfte knickt leicht (!) auf der Seite des Beines nach oben ein, das gerade den Großteil des Körpergewichtes trägt. Die Schulter auf der Seite bewegt sich entsprechend der Hüfte-Schulter-Gegenbewegung leicht nach unten.
  • Ebenso dreht sich die Hüfte leicht (!) mit nach vorne, wenn der Fuß auf dieser Seite nach vorne geht, und die Schulter gleichzeitig nach hinten. Die übertreibung dieser Schulterbewegung führt zu einem machohaften Gang.
  • Die Arme schwingen entgegengesetzt zu den Füßen. Bei der Armbewegung sollte man es nicht übertreiben, allerdings sollte man auch nicht den Gorilla mit betäubten Armen machen.

Hier ein kleines Beispiel, in dem dies alles zur Anwendung kommt.

Die erste Animation zeigt, wie wichtig es ist, die Hüfte und den Torso zu animieren. Die ganze Bewegung sieht grauenhaft steif aus. Die zweite Animation beinhaltet dagegen ein leichtes Auf und Ab bei jedem Schritt und die Hüfte-Schulter-Gegenbewegungen. Ich habe sie hier absichtlich sehr subtil gemacht, so dass man sehen kann, wie stark sich bereits diese kleinen aber wichtigen änderungen auf den Gesamteindruck auswirken.

Der Nachteil der zweiten Methode ist, dass es viel länger dauert. Ich habe für die zweite Animation mehr als dreimal so viel Zeit benötigt wie für die erste, da mit jeder Bewegung der Hüfte auch Torso und Beine wieder „korrigiert” werden müssen. Und die Animation ist noch lange nicht perfekt!

Merke: Es gibt keinen Weg daran vorbei, dass gutes Animieren viel Zeit kostet.

Verlagerung des Schwerpunktes

Nun ein weiteres Szenario: Lara möchte aus dem Stehen etwas aufheben, das vor ihren Füßen liegt. Ist doch einfach, oder? Man bückt aus der Hüfte mit dem Oberkörper nach vorne, und dann führt man noch einen Arm runter. Richtig?

Bücken (1)

Nee, sieht komisch aus.

Versucht doch mal, euch mit dem Rücken an die Wand zu stellen und durch Bücken etwas hochzuheben, das direkt vor euren Fußspitzen liegt. Wenn es klappt: Glückwunsch, sehr gute Körperkontrolle. Den meisten wird es nicht gelingen. Der Grund dafür ist die Verlagerung des Körperschwerpunktes durch das Vorbeugen des Oberkörpers. Unsere Muskeln können zwar einen Teil der Schwerpunktverlagerung kompensieren, so dass wir unsere Haltung nicht verändern müssen. Dies ist jedoch sehr anstrengend, daher neigen wir eher dazu, mit dem Körper auszuweichen. Das Gewicht des Oberkörpers geht hier beim Bücken nach vorne, daher wandert der Körperschwerpunkt zu den Zehenspitzen und darüber hinaus. Wenn wir nicht gerade mit dem Po an der Wand stehen, gleichen wir das aus, indem wir den Po über die Hacken schieben. Darüber müssen wir gar nicht nachdenken. Als Baby haben wir nämlich oft genug einen Swan-Dive ins Parkett gemacht, so dass sich die richtige Bewegung in unser Muskelgedächtnis eingebrannt hat. So ist es richtig. Die Veränderung ist wieder sehr subtil, aber der Unterschied ist enorm.

Bücken (2)

Wer kommt auch mit den Fingern an die Zehenspitzen? Naaaa? 😀
Lara ist sehr gelenkig, daher wird sie diese übung wohl problemlos bewältigen. Wer es weniger nach Turnhalle aussehen lassen möchte, lässt sie etwas in die Knie gehen, damit die Muskeln auf der Beinrückseite nicht so stark gedehnt werden müssen.

Bücken (3)

Nur sehr damenhaft ist die Pose nicht geworden. o.O

Bücken (4)

Aber darum ging es in dem Beispiel ja auch nicht. 😉

Merke: Entscheide, ob eine Bewegung akrobatisch/angespannt oder entspannt/beiläufig aussehen soll. Im letzten Fall solltest du starke Belastungen oder Dehnungen der Muskeln vermeiden und entlastende Ausweichbewegungen einbauen.

Ein bisschen Studium der wichtigsten Muskelgruppen und ihren jeweiligen Funktionen schadet daher nicht. 😉

Tragen von Gegenständen

Was passiert eigentlich, wenn man einen schweren Gegenstand hält? Das ist mit dem bisher Gelerntem einfacher umzusetzen als es aussieht. Man betrachtet Körper und Gegenstand als eine Einheit und überlegt sich wieder, wo der Schwerpunkt ungefähr liegt. Wer eine schwere Kiste trägt, muss es also irgendwie schaffen, den Gesamtschwerpunkt aus Körper und Kiste wieder auf die imaginäre Fläche zwischen den Füßen zu bekommen, ansonsten fliegt man auf die Nase. Ein paar Möglichkeiten, die mehr oder weniger praktikabel sind:

Tragen

Mit der ersten, etwas eigenwilligen Haltung ruiniert man garantiert seinen Rücken. Die zweite fällt nicht jedem gleich ein, aber der Rücken wird es einem danken. Die rechte Version dürften die meisten für kurze Strecken verwenden.

Merke: Für das Tragen von Gegenständen gelten die gleichen Regeln wie für den gesamten Körper. Betrachte Körper und Gegenstand als Einheit.

Mit dem ganzen Körper Kraft auf einen Gegenstand ausüben

Schiebt Lara einen schweren Gegenstand, zieht an einer Kette oder drückt eine Platte in die Wand verlagert sie ebenfalls ihr Gewicht, um die Kraft ihrer Muskeln zu unterstützen. Man verleiht den Bewegungen sozusagen „Nachdruck.”
Dieser Wandschalter hier sieht beispielsweise sehr leichtgängig aus.

Wandschalter (1)

Wie kann man es schaffen, damit es aussieht als hätte Lara etwas mehr zu kämpfen, so wie man es bei einem antiken Mechanismus erwarten würde? Man lässt sie das Gewicht ihres Oberkörpers einsetzen. Schauen wir uns die klassische Wandhebel-Animation an.

Wandschalter (2)

Beim Herunterziehen hängt sie sich ein wenig an den Schalter, so dass ihr Gewicht mitzieht. In der zweiten Phase stützt sie sich mit dem Oberkörper auf den Schalter. Sieht schon mehr nach Arbeit aus, oder? Wenn die Muskelkraft nicht ausreicht, kann es notwendig sein, das gesamte Körpergewicht einzusetzen.

Wandschalter (3)

Merke: Muskelarbeit alleine sieht meist nach wenig Bemühungen aus. Setze zusätzlich Verlagerung des Schwerpunktes ein.


Wenn du diesen Text oder Teile davon anderswo veröffentlichen möchtest, frage uns oder Codo bitte vorher um Erlaubnis. Vielen Dank!

Dieser Content wurde im Rahmen des TRForge Adventskalenders 2012 erstellt.
Falls vom Autoren selbst nicht anders angegeben, respektiere bitte die allgemeinen Benutzungsrichtlinien zur Nutzung von TRForge-Inhalten.

Tutorial: Realistische Spielphysik by Codo

Die klassische Tomb Raider Engine ist weit davon entfernt, eine physikalisch korrekte Welt darzustellen. Lara springt weiter und höher als jede Olympiasiegerin, es werden riesige Felsquader mit Leichtigkeit verschoben, die Wasserwellen ähneln eher einer gespannten Folie als echtem Wasser…
Aber für gutes Gameplay ist auch nicht zwangsläufig notwendig, die natürliche Welt perfekt nachzubauen. Absichtlich gebrochene Regeln können einen besonderen spielerischen und atmosphärischen Reiz ausmachen.

Wer aber Wert darauf legt, ein möglichst realistisch erscheinendes Level zu bauen, sollte zumindest versuchen, einige grobe Fehler zu umgehen, sofern die Engine dies überhaupt zulässt. Vielen Spielern wird das womöglich nicht einmal auffallen, aber man kann Realismus beispielsweise sehr gut als Grundlage für Rätsel benutzen. Wie vieles ist dies eine persönliche Entscheidung. Dieses Tutorial ist keinesfalls als Belehrung zu verstehen sondern als Gedankenanstoß. Natürlich erhebt es auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Verbundene Wasserräume

Flüssigkeiten haben einige Eigenschaften, die uns intuitiv teilweise seltsam vorkommen. Eines davon ist das sogenannte Prinzip der Kommunizierenden Röhren.
Es besagt, dass alle Gefäße/Räume den gleichen Wasserstand einnehmen, wenn sie miteinander verbunden werden.

Das erscheint simpel, wird aber dennoch gerne vergessen. Der Grund für dieses Verhalten ist sogar ziemlich kompliziert: Der Druck am Boden eines wassergefüllten Gefäßes ist alleine abhängig von dem Füllstand, aber unabhängig von dem Füllvolumen und der Geometrie des Gefäßes. Aber wir wollen hier nicht zu sehr ins Detail gehen. Wichtig ist die Konsequenz: Selbst ein riesiger Wassertank wird mit einer verbundenen dünnen Röhre den gleichen Füllstand einnehmen.

Strömungen

Ein beliebtes Spielelement sind Strömungen. Aber wie bekommt man sie halbwegs realistisch hin? Auch hierbei ist es nicht unbedingt intuitiv klar, wie sich die Strömungsgeschwindigkeiten mit den Raumgeometrien verändern.
Nehmen wir zum Beispiel eine Röhre, die sich auf die Hälfte ihres Durchschnittes reduziert. Wird das Wasser gleich schnell, langsamer oder schneller strömen?

Es strömt schneller! Die Geschwindigkeit ist umgekehrt proportional zum durchströmten Querschnitt. Das ist merkwürdig, denn woher kommt diese Beschleunigung? Die Ursache ist, dass Flüssigkeiten (fast) nicht zusammendrückbar sind, daher fließt durch jeden Abschnitt des Rohres die gleiche Flüssigkeitsmenge. Ist der Strömungsquerschnitt verengt, kommt es daher zu einem Druck- und Geschwindigkeitsanstieg.

Wasser und Eis

Wie wäre es mit einem Rätsel, bei dem man einen im Wasser frei schwimmenden Eisblock schmelzen muss, um den Wasserstand zu erhöhen? Leider ist das komplett unrealistisch. Der Wasserstand wird nach dem Schmelzen absolut gleich bleiben. Der Grund dafür ist, dass das Eis zwar eine geringere Dichte und höheres Volumen aber genauso viel Masse wie im geschmolzenen Zustand hat. Der Auftrieb des Eises ist genauso groß wie die vom Körper verdrängte Masse.
übrigens ist der Dichteunterschied zwischen Eis und Wasser gar nicht mal so groß. Bei Eisbergen ragen nur 15% aus dem Wasser heraus!

Laserstrahlen

Hollywood zeigt uns gerne wunderschöne Laserstrahlen. In sauberen Galerien, sogar am helllichten Tag. Doch das ist totaler Schwachsinn. Man dürfte (abgesehen von einem Punkt an einer vom Lichtstrahl getroffenen Wand) eigentlich gar nichts sehen.
Es gibt schließlich einen guten Grund, weswegen in Diskotheken Nebelmaschinen zum Einsatz kommen. An den Partikeln wird das Licht gestreut, so dass ein Teil davon in unser Auge fallen kann. Ein nicht gestreuter Lichtstrahl fliegt einfach am Auge vorbei, d.h. er ist für uns unsichtbar.
Wie man in Tomb Raider Legend sieht, kann man diese Eigenschaften des Lichtes sogar für Rätsel benutzen.

Übrigens: Es ist nicht sehr schlau, Laserlicht aus dem sichtbaren Wellenlängenbereich für Bewegungsmelder zu benutzen. Es wird daher ausschließlich infrarotes Laserlicht verwendet. Macht das Gameplay mit Laserlicht dann völlig unmöglich? Natürlich nicht. Es ist alles eine Frage der Kreativität. Es gibt Spiele, die dies berücksichtigen.

Dekorative Lichtstrahlen

Das gleiche Problem wie bei Lasern findet sich auch bei Lichtstrahlen, die durch Dächer, Fenster oder ähnliches in Räume fallen. Die Räume sollten idealerweise staubig oder nebelig sein, damit der Effekt realistisch wirkt.
Auch sollten solche Lichtstrahlen innerhalb eines Levels, oder wenigstens innerhalb eines Raumes, immer aus der gleichen Richtung kommen. Die Sonne wird ja nicht plötzlich ihre Position ändern.
So etwas sieht zwar nett aus, würde aber nur auf Tatooine passieren können:

Die Energieerhaltung beim Rollingball

Der Rollingball ist einer der wenigen Bestandteile der klassischen TR-Engine, die so etwas wie eine echte Physik programmiert bekommen haben. Daher muss man häufig auch die Bodenstrukturen ausführlich testen, damit er seinen vorgesehenen Weg nimmt. Allerdings hat der Rollingball einen Haken: Er verliert nur auf ebenen Flächen Energie. In der Realität würde vor allem die ständige Reibung mit dem Untergrund überall dafür sorgen. Normalerweise fällt diese Eigenschaft auch kaum auf, in symmetrischen Bahnen dagegen sehr.

Da sich in der Mitte ein flacher Bereich befindet, verhält sich der Rollingball quasi realistisch, d.h. er wird mit jedem Durchgang an Höhe verlieren und in der Mitte zum Liegen kommen.

Hier wird der Rollingball dagegen unendlich hin und her rollen und dabei stets die gleiche Höhe erreichen. Das sieht schon sehr merkwürdig aus. Diese Eigenschaft ist aber auch überaus praktisch, denn so kann der Rollingball als Auslöser für zyklische Ereignisse verwendet werden.

Der Rollingball hat noch einige andere Merkwürdigkeiten. Es spielt beispielsweise keine Rolle aus welcher Höhe man ihn fallen lässt, seine potentielle Energie ist immer die gleiche. Daher wird er immer zur gleichen Stelle auf einer aufsteigenden Rampe rollen. Man sollte den Rollingball auf der Rampe liegend starten, wenn es realistisch aussehen soll.

Ein anderes seltsame Verhalten tritt auf symmetrischen Rampen ohne flache Bereiche und mit größer werdender Steigung auf. Ich habe beobachtet, dass er immer auf der drei-Click-Steigung umdrehen wird. Aber ich bin nicht sicher, ob das auch in jeder anderen Umgebung der Fall ist.

Dieser Content wurde im Rahmen des TRForge Adventskalenders 2011 erstellt.
Falls vom Autoren selbst nicht anders angegeben, respektiere bitte die allgemeinen Benutzungsrichtlinien zur Nutzung von TRForge-Inhalten.