03.08.2017 04:19
Jetzt habe ich extra den ganzen Vanity-Fair-Artikel gelesen, verfügbar hier: https://www.vanityfair.com/hollywood/201...over-story. Also, grundsätzlich störe ich mich daran, dass Slumkinder überhaupt als Schauspieler in Betracht gezogen wurden. Jolie und ihr Team begründen das damit, dass sie den Film für die Leute des Landes mit den Leuten des Landes drehen wollten. Es sei für diese Menschen eine Begegnung mit ihrem Trauma und ein Weg der emotionalen Verarbeitung gewesen. Die gebeutelten Kinder mochte man da nicht außen vor lassen. Ich kann an dieser Stelle nicht beantworten, ob der therapeutische Arbeitsansatz funktionieren kann. Ich verstehe vorerst Jolies Anliegen damit und halte sie dabei auch für authentisch. Aber auch da weiß man natürlich nicht, wie viel dran ist. Man könnte das gesamte Casting in so einer therapeutischen Atmosphäre durchgeführt haben. Für manche kann das aufgegangen sein, für andere nicht.
Die einzige Quelle für die missverständlichen Aussagen ist nun der Artikel der Vanity Fair. Der genaue Kontext fehlt einfach. Die lange emotionale Reaktion und die anrührende Aussage kann Moch eben wirklich ebenso gut in einem stabilen Rahmen gesagt haben. In einem Therapiesetting könnte man jemanden genau dasselbe sagen hören: Es wäre schön, das Geld zu haben. Man könnte davon die Beerdigung für den Großvater zahlen. Man formuliert Träume, lässt Gefühle aufkommen, akzeptiert sie in dem Moment und kann sie verarbeiten. Es wurde dann kein negativer Stress aufgebaut, sondern sogar das Gegenteil war der Fall. Aber wie gesagt, aus dem Artikel kommt das leider nicht so gut heraus. Was die Bürger angeht, die sich verängstigt auf den Boden warfen. Es war auf jeden Fall keine Absicht von den Produzenten. Immerhin 3.500 Kambodianer haben an dem Projekt teilgenommen. Nur gab es eben auch ein paar Leute, die von dem Dreh in ihrer Stadt nichts mitbekommen hatten. Eigentlich kann sich eine Crew ja darauf verlassen, dass sie mit ihren riesigen Apparaten und ihrem Drehlärm auch sofort als Filmproduktion auffällt.
Also, ich bleibe dabei: Über den Dreh ist nicht detailliert berichtet worden, sondern in verkürzter Boulevardsprache. Der Artikel sollte eigentlich Empathie erzeugen für ein vom Krieg gezeichnetes Land und die Emphase legen auf eine immer noch über alle Maßen engagierte Jolie. Nachdem ich den ganzen Artikel gelesen habe, verstehe ich das sogar so, dass das Filmprojekt im Kern von vornherein einen therapeutischen Ansatz hatte. Ich kann halt nicht beurteilen, wie gut das mit den Kindern klappt. Es kommt einfach mal wieder darauf an, wie man das "game" (so im Artikel genannt) durchführt und weniger auf das Was. Man kann es auch so herum sehen: Traumatisiert sind die Kinder ohnehin. Ein Filmprojekt schafft für ein paar Kinder Raum, ihre Situation zu reflektieren und besser zu verarbeiten. Für manche Kinder ist es sicher nichts. Aber man wird die Kinder schon nicht zur Drehprobe gezwungen haben. Ich bin jetzt sogar beim Gegenteil der Vorwürfe gelandet. Vanity wollte wohl doch keine Stimmung machen, wie ich anfangs dachte. Die Formulierung birgt aber Missverständnisse: "In order to find their lead, to play young Loung Ung, the casting directors set up a game, rather disturbing in its realism". Das Spiel war in seiner Wirklichkeitsnähe verstörend, nicht: Das Spiel war verstörend. Und ja, ich habe keine Kinder, aber ich vertraue soweit auf Menschen und Profis, dass sie im direkten Umgang mit einem anderen Menschen sehen, welche Schritte sie mit ihm gehen können. In diesem Beruf muss man permanent Leute richtig einschätzen. Durchaus macht man sich und vor allem dem Kind Umstände, das für die Hauptrolle gebucht wird. Denn ja, man geht ja das Risiko ein, das Kind zu triggern. Allerdings gibt man ihm auch die Chance der Traumaverarbeitung. Es kommt wirklich auf das Wie, auf die Durchführung an. Und die können wir halt nicht beurteilen, weil wir nicht dabei waren. Die Durchführung kann Traumata verschlimmern, aber sie kann auf dem ohnehin notwendigen Weg der Traumaverarbeitung auch eine Hilfe sein. Das soll umgekehrt allerdings kein Argument dafür sein, generell Menschen zu casten, die die backstory der Rolle selbst mitbringen.
Übrig bleibt für mich nur das: Ein professioneller Kinderschauspieler ohne traumatischen Hintergrund könnte die Rolle doch auch spielen. Wenn dieses Kind aus Kambodscha kommt, ist das Endprodukt auch ein unterstützender Film von den Landsleuten für die Landsleute. Und die ursprüngliche Idee des Filmprojekts bleibt dann auch erhalten.
Die einzige Quelle für die missverständlichen Aussagen ist nun der Artikel der Vanity Fair. Der genaue Kontext fehlt einfach. Die lange emotionale Reaktion und die anrührende Aussage kann Moch eben wirklich ebenso gut in einem stabilen Rahmen gesagt haben. In einem Therapiesetting könnte man jemanden genau dasselbe sagen hören: Es wäre schön, das Geld zu haben. Man könnte davon die Beerdigung für den Großvater zahlen. Man formuliert Träume, lässt Gefühle aufkommen, akzeptiert sie in dem Moment und kann sie verarbeiten. Es wurde dann kein negativer Stress aufgebaut, sondern sogar das Gegenteil war der Fall. Aber wie gesagt, aus dem Artikel kommt das leider nicht so gut heraus. Was die Bürger angeht, die sich verängstigt auf den Boden warfen. Es war auf jeden Fall keine Absicht von den Produzenten. Immerhin 3.500 Kambodianer haben an dem Projekt teilgenommen. Nur gab es eben auch ein paar Leute, die von dem Dreh in ihrer Stadt nichts mitbekommen hatten. Eigentlich kann sich eine Crew ja darauf verlassen, dass sie mit ihren riesigen Apparaten und ihrem Drehlärm auch sofort als Filmproduktion auffällt.
Also, ich bleibe dabei: Über den Dreh ist nicht detailliert berichtet worden, sondern in verkürzter Boulevardsprache. Der Artikel sollte eigentlich Empathie erzeugen für ein vom Krieg gezeichnetes Land und die Emphase legen auf eine immer noch über alle Maßen engagierte Jolie. Nachdem ich den ganzen Artikel gelesen habe, verstehe ich das sogar so, dass das Filmprojekt im Kern von vornherein einen therapeutischen Ansatz hatte. Ich kann halt nicht beurteilen, wie gut das mit den Kindern klappt. Es kommt einfach mal wieder darauf an, wie man das "game" (so im Artikel genannt) durchführt und weniger auf das Was. Man kann es auch so herum sehen: Traumatisiert sind die Kinder ohnehin. Ein Filmprojekt schafft für ein paar Kinder Raum, ihre Situation zu reflektieren und besser zu verarbeiten. Für manche Kinder ist es sicher nichts. Aber man wird die Kinder schon nicht zur Drehprobe gezwungen haben. Ich bin jetzt sogar beim Gegenteil der Vorwürfe gelandet. Vanity wollte wohl doch keine Stimmung machen, wie ich anfangs dachte. Die Formulierung birgt aber Missverständnisse: "In order to find their lead, to play young Loung Ung, the casting directors set up a game, rather disturbing in its realism". Das Spiel war in seiner Wirklichkeitsnähe verstörend, nicht: Das Spiel war verstörend. Und ja, ich habe keine Kinder, aber ich vertraue soweit auf Menschen und Profis, dass sie im direkten Umgang mit einem anderen Menschen sehen, welche Schritte sie mit ihm gehen können. In diesem Beruf muss man permanent Leute richtig einschätzen. Durchaus macht man sich und vor allem dem Kind Umstände, das für die Hauptrolle gebucht wird. Denn ja, man geht ja das Risiko ein, das Kind zu triggern. Allerdings gibt man ihm auch die Chance der Traumaverarbeitung. Es kommt wirklich auf das Wie, auf die Durchführung an. Und die können wir halt nicht beurteilen, weil wir nicht dabei waren. Die Durchführung kann Traumata verschlimmern, aber sie kann auf dem ohnehin notwendigen Weg der Traumaverarbeitung auch eine Hilfe sein. Das soll umgekehrt allerdings kein Argument dafür sein, generell Menschen zu casten, die die backstory der Rolle selbst mitbringen.
Übrig bleibt für mich nur das: Ein professioneller Kinderschauspieler ohne traumatischen Hintergrund könnte die Rolle doch auch spielen. Wenn dieses Kind aus Kambodscha kommt, ist das Endprodukt auch ein unterstützender Film von den Landsleuten für die Landsleute. Und die ursprüngliche Idee des Filmprojekts bleibt dann auch erhalten.
Überwinde den Schmalzkringel und zähme den Donut.