So, ich habe Valerian gesehen.
Der Film sollte eigentlich "Laureline" heissen, denn sie ist in praktisch jeder Hinsicht die zentrale Figur und der wahre Held des Filmes (was Luc Besson selbst gesagt hat). Es macht sehr viel Spaß ihr zuzusehen.
Charakterlich ist Laureline fast etwas
zu perfekt geraten, um sich mit ihr identifzieren zu können. Was aber gerade Frauen leichtfallen dürfte, ist ihre Situation wieder zu erkennen.
Sie ist clever, kompetent, weiß auf sich selbst aufzupassen, dazu noch empathisch und weise. Und sie ist umgeben von Männern, die durch starrsinnige Regelnbefolgung und Rechtfertigungen glänzen.
Sie ist rangniedriger als Valerian, der ihr in der emotionalen Reife und Kompetenz aber deutlich unterlegen ist und ständig aus haarigen Situationen von ihr befreit werden muss.
Und was wirklich überflüssig und nervig war, ist dass er den Film seiner Partnerin mit Heiratsanträgen hinterher rennt, was letztendlich mal wieder normalisiert, dass es OK ist Frauen auf der Arbeit zu belästigen, und wenn man nur hartnäckig genug fragt, wird sie irgendwann schon nachgeben. Viele werden nämlich verpassen, dass sie erst zu einem "Vielleicht" wechselt, als er seine Einstellung ändert.
Und offenbar sind in der Zukunft nicht nur geschätzte 80% der Außerirdischen männlich, sondern auch der Menschen.
Die zentrale Aussage des Filmes, die sich aus den obigen Themen ergibt, finde ich aber wiederum sehr gelungen. Wie auch beim Fünften Element siegt hier die Liebe.
Aber nicht die romantische Liebe, sondern die universelle Liebe. Und nicht durch einen Energiestrahl, der das personifizierte Böse zerstört, sondern durch eine Geste selbstlosen Mitgefühls.
Laureline hält dazu einen schönen "Vortrag", aber den Wortlaut finde ich leider noch nicht im Internet.
Apropos das Böse. Es ist hier nicht abstrakt und übernatürlich (gähn), sondern tritt in Form eines Menschen auf, der etwas leider zutiefst menschliches tut: Eine grausame Entscheidung mit scheinrationalen Gründen zu rechtfertigen. Und die Parallelen zu dem, was die Weißen in der Geschichte getan haben, und die auch heutzutage noch so verbreitete menschenverachtende Haltung gegenüber denen, die nicht so sind wie man selbst, sind überdeutlich. Ich will das aber nicht verraten, denn wie hier die Spuren zusammen getragen werden, was eigentlich passiert, ähnelt fast einem Krimi. Während großes amerikanisches Kino oft viel zu vorhersehbar ist (für meinen Geschmack zumindest), folgt dieser hier weniger solchen bekannten Strukturen.
...was aber auch das größte Problem des Films ist.
Ich fühlte mich mehrfach ein wenig verloren, was das denn nun alles soll und worauf der Plot eigentlich hinsteuert. Eine gute Erzählung schafft es trotzdem, einem immer das Gefühl zu geben, dass man im Moment zwar noch nur begrenzt Informationen hat, man aber trotzdem an etwas "dran ist." Aber hier war dieser "Faden" mehrfach etwas lose. Dass man sich in einem Universum bewegt, in dem quasi alles möglich ist, macht es nicht einfacher, da es das Gefühl erzählerischer Willkür und damit auch das der Unvorhersehbarkeit vergrößert. Schwieriger könnten die Voraussetzungen kaum sein, die richtige Balance zwischen Vorhersehbarkeit und Überraschung zu erreichen. Um den Film zu genießen, muss man sich als Zuschauer also auf das Gefühl einlassen, dass man über weite Strecken nicht alles verstehen kann, was man sieht. Wie Achterbahnfahren im Dunkeln kann das aber auch Spaß machen. Wenn man so was mag.
An einigen Stellen war auch der Ton des Films merkwürdig inkonsistent. Da wird ein ganzer Bus voller Agenten-Kollegen abgemurkst, und nur Sekunden später reissen die beiden schon wieder witzige Sprüche. Inklusive Laureline, die angeblich so empathisch ist.
Schön sieht der Film auf jeden Fall aus, und wer Spaß an Lara Croft hat, der wird Laureline auch gerne bei der Arbeit zusehen.
Trotz meiner Kritikpunkte würde ich den Film also als sehenswert bewerten.