Ich lese gerade ein interessantes Buch, das sich mit den neurologischen Prozesse beim Malen beschäftigt.
Malen ist kein angeborenes Talent, da die dafür notwendigen Fähigkeiten (genau Hinsehen und Handkoordination) bei praktisch jedem (gesunden) Menschen vorhanden ist. Stattdessen wäre das Problem der "Nicht-Zeichnen-Könner", dass bei ihnen die linke Gehirnhälfte blockiert, dass das Gesehene (real oder vor dem "inneren" Auge) nicht auf's Papier gebracht werden kann.
Die linke Gehirnhälfte ist nämlich für das Analysieren, Sprechen und Kategoriesieren zuständig. Die rechte arbeitet ganzheitlich und intuitiv, und sieht die Dinge wie sie sind. Sie hat also die für das Malen wichtigen Eigenschaften.
Leider ist die linke Gehirnhälfte dominant und "plappert" ständig dazwischen. Sie übergeht die genaue Betrachtung und steckt das Gesehene in Kategorien. Die meisten Menschen haben sich in Kindheit und Jugend eine Symbolsprache angewöhnt. Ein Auge sieht so aus, eine Nase so...
Wenn man versucht, etwas realitätsgetreu abzumalen, versucht die linke Gehirnhälfte, die Abkürzung zu nehmen, und greift auf Symbole zurück. Es entstehen so unfreiwillig comicartige Darstellungen und anatomische Verzerrungen, weil beispielsweise das Gesicht als viel wichtiger gewertet wird als der Rest des Kopfes, so dass der Hinterkopf zu klein gerät.
Das frustriert dann die meisten Menschen bereits in ihrer Jugend so sehr, dass sie für sich entscheiden, absolut untalentiert zu sein. Es hilft auch in der Regel nicht, die "Malenkönner" zu fragen, wie sie es machen. Sie haben selbst keine Ahnung, was sie da eigentlich tun, und erst Recht keine Worte, um den Prozess zu beschreiben.
Es ist aber kein geheimnisvolles Talent, sondern eine Frage der Übung, seine Gehirnhälften umzustellen. Und das kann jeder lernen.