Das ist bestimmt richtig, aber an sich nicht verwerflich.
Die Sender stehen oft vor dem Problem, das der Stoff, der sich für illustratives Bildmaterial eignet, sich noch nicht oder schon ereignet hat, wenn sie am Ort des Geschehens sind. Also werden kleine (aber sehr verschiedenfach deutbare!) Aufnahmen gern mal fingiert. Das ist nur dann zu kritisieren, wenn sich in der Redaktion niemand mehr darum kümmert, ob das, was die Illustration suggeriert, sich hinterher tatsächlich so ereignet hat. Das überprüft im Redaktionsstress keiner, der Text wird dann halb zu den Bildern passend gedichtet, die der Kameramann mitgebracht hat, und der weiß ja auch nicht mehr, als er in den zehn Minuten gesehen hat, in denen er da war. Dann werden die Nachrichtenbeiträge zu glatten Lügen.
Würden die Nachrichtenleute sich besser selbst kontrollieren, also wenn Wahrhaftigkeit wieder mehr zählen würde, gäbe es so lumpige Nachrichtenbeiträge nicht mehr. Aber irgendwem passt diese Art der Berichterstattung sehr gut in den Kram, der Sender spart sich Personal und das Personal kann die Verantwortung von sich schieben, weil es immer so viel Stress hat. Gerade bei Killerspielen ist die öffentliche Meinung eh schon negativ vorgebildet und deswegen kann man sich bei diesem Thema ohnehin Schindluder erlauben.
@ Eva: Null Denotation, hochprozentige Konnotation. Der semantische Gehalt von "Killerspiel" ist null definiert. Das ist umso besser, weil man keinen Politiker auf seine Aussagen festnageln kann. Heute heißt der Begriff das, morgen das. Die meisten politischen Schlagwörter sind Komposita, zusammengesetzt aus Einzelwörtern, die zwar denotiert sind, aber vor allem starke Konnotationen haben. KILLER-SPIEL. Konnotationen sind kontextabhänige Assoziationen, mit denen jeder, themenkundig oder nicht, sofort etwas anfangen kann. Das Killerspiel enthält nur solche Konnotationen und keine Denotation. Wäre es jemandem ernst um das Verbot von Killerspielen, würde man sofort eine klare Definition festlegen und ebenso auch Kriterien zur Identifizierung solcher Spiele. Die Leute, die diese Lüge selbst auch noch glauben und Forschung betreiben, werden sicher noch lange weiterforschen, aber nie zu einer Definition kommen, weil es ja keine Killerspiele gibt.
Killerspiel ist ein Strohmannargument, das immer dann hervorgekramt wird, wenn wieder ein Amoklauf stattgefunden hat. Dann wiederholt man alles, was man bisher über Killerspiele "weiß" und rügt vorwurfsvoll die zuständigen Stellen (zuständig für Killerspiele?!), doch endlich das Verbot von Killerspielen voranzubringen. Nach wenigen Wochen gerät der Amoklauf aus dem Fokus der medialen Aufmerksamkeit und die theatralischen Gebärden stellen sich wieder ein. Auch von denen da oben will niemand Spiele verbieten, weil der Staat zu gut an ihrem Verkauf verdient. Nur die fragliche BPjM, die sich noch nie um Transparenz bemühen musste, wird in eine Scheinaktion eingespannt - die neuen FSK-Aufkleber - damit man sagen kann, man hätte was unternommen.
Die Argumentation sieht in etwa so aus:
Die Amokläufer waren Jugendliche.
Jugendliche sind mit Killerspielen "infiziert".*
Killerspiele sind Auslöser jugendlicher Gewalt.**
Wenn Jugendliche keine Killerspiele mehr spielen, werden sie nicht mehr zu Amokläufern.
Das Verbot von Killerspielen sorgt dafür, dass Jugendliche keine Killerspiele mehr spielen können.
Also: Verbieten wir Killerspiele. Bzw.: Wenn wir Killerspiele verbieten, gibt es keine Amokläufer mehr.
* So waren sie vor 20 Jahren mit Horrorfilmen infiziert und davor mit Abenteuerromanen.
** Wie damals die Horrorfilme und Romane.
Die Argumentation ist in sich logisch aufgebaut, durchaus, aber es gibt keine Beweise für die Einzelaussagen. Der Begriff, der im Mittelpunkt steht, ist nicht einmal definiert. Es ist also alles richtig und falsch, was man mit diesem Begriff anstellt.
Man kann sich hundert Argumente überlegen, wieso die Argumentation Quatsch sein soll. Genau das ist der Zweck des Strohmanns. Wer die Behauptung aufstellt, sollte eigentlich in der Bringschuld mit schlüssigen Argumenten sein. Anstelle meiner hundert Argumente sollte ich nur ein gutes Argument erwarten. Aber die Vorwürfe schrecken die Leute auf, alle Spieler fühlen sich angegriffen und verlieren 1000 Worte zum Thema Killerspiel. So ist das Ziel erreicht: jeder vergisst, worüber eigentlich gesprochen werden sollte.
Es sind natürlich soziale Probleme, Risse im sozialen Netz, die für Mobbingopfer, gescheiterte Schulkarrieren und Amokläufer gleichermaßen verantwortlich sind. Amokläufer sind nur die populären Fälle, die es in die Medien schaffen. Sie legen offen, dass dieses Bildungssystem eklatante Mängel hat. Und das sollen die Leute gefälligst vergessen, denn kaum ein Politiker wird es während seiner Amtszeit zustande bringen, gegen diese Probleme vorzugehen, zumal für diese Probleme, die teils bestehen, seit es ein Bildungssystem gibt, keine Lösungen vorhanden sind. Lösungsentwicklungen anzustrengen, rentiert sich für keinen Politiker. Killerspielpolemik aber schon.
Der Nebeneffekt der Debatte um das Killerspielverbot ist, dass auf den Zuwachs an Zensurmaßnahmen in Deutschland aufmerksam gemacht wird. Die Debatte um Killerspiele erinnert uns auch in unserem privaten Umfeld, wo wir uns doch nur mit Unterhaltungsprogramm beschäftigen wollen, an dieses heiße politische Eisen. Das soll aber nicht heißen, dass die ganze Debatte wegen dieses Nebeneffekts deshalb gutzuheißen wäre.
Terror, Al-Kaida usw. sind genauso konstruierte Schlagwörter wie das Killerspiel Denotativ leer, konnotativ schwer.